Donnerstag, 16. Juni 2022

Von Tigern und Vulkanen

+++15.05.2022+++                                                                                             *Reklame*

Es gibt da im Bereich der Großenduros um die 1200 ccm nicht allzuviele Protagnoisten. Wie im Fußball gibt es da einen, der quasi jährlich die Meisterschaft nach Hause fährt und es ist eigentlich nur noch interessant, wer denn Platz 2 belegt. Mit Platz 2 will sich Triumph nicht zufrieden geben. Die neue Triumph Tiger 1200 kann alles besser als die alte, wiegt 25 Kilo weniger und hat zudem in verschiedenen Bereichen die Nase vorn. Es ist uns klar, auf wen sich das richtet, als Uli Bonsels von den Unterschieden zum Mitbewerber spricht. Die anderen bewegen sich unter "ferner liefen". Wir nicken und machen uns nach der Präsentation auf den Weg zum Parkplatz. Dort wartet die Neue auf uns. Dabei ist es nicht nur eine, sondern es sind derer fünf. Fünf verschiedene Modelle, in ausreichender Zahl sind im Hof für uns aufgebaut. Es wird noch rasch abgeklärt, wer zuerst auf die Straßenetappe gehen wird, und wer von uns ins Herz des Vulkans reitet und dort nach Staub und Schotter suchen wird. Ich erwische die Straße. Also zum Motorrad.


Groß und grün steht die Rally Pro vor mir. Nicht riesig, nur hoch, aber das kenn ich ja. Und vor allem: Schlank. Von vorne sieht man ihr nicht an, daß sie die neue "dicke" ist. Von der Seite die klassische Triumph Linie, die man von den anderen Tigern kennt.

Das Display ist, wie bei allen neuen Maschinen von Triumph, eine Komandozentrale. Da fehlt nichts, vielleicht nur das Netflixabo. Es gibt die Vernetzung zum Smartphone, eine Steuerung für die Gopro und und und. Dazu natürlich Einstellmöglichkeiten für so ziemlich alles. Das alles recht konventionell und mit wenigen Schaltern gelöst.






 
 
Man findet sich sofort zurecht. Das Bein über die Sitzbank - das ging auch schon mal eleganter - und dann geht es auch schon los. Der Zündschlüssel ruht sich dabei in der Jackentasche aus. Im Schloss muss er nicht sitzen, damit der Murl erwacht.
 

Der Motor ist, wie man es erwartet, ein munterer Dreizylinder. Aber er hört sich nicht wirklich wie einer an. Uli hat uns versprochen, er wird sich auch etwas anders fahren, als wir es gewohnt sind. Eher wie ein Zweizylinder. Und das wird sein großer Vorteil im Gelände sein. Er hat eine andere Zündfolge als die anderen Triple aus dem Haus. Und zudem sorgt die T - Plane Kurbelwelle (das sagt uns, was für einen Versatz die Zapfen auf der Kurbelwelle haben) für einen veränderten Vortrieb. Der Druck auf die Startertaste erweckt 150 mögliche PS aus 1160ccm Hubraum. Die werden gleich mit einem maximalen Drehmoment von 130 Nm den Weg über die neue Zweiarmschwinge mit Kardanantrieb den Weg zum Hinterrad suchen.

Neue Kardan - Doppelarmschwinge.

Der Motor hört sich gut und vertraut an. Der Gang rastet seidenweich, wie man es in dieser Klasse gewohnt ist und dann geht es los. Wir verlassen das Fahrtrainingsgelände am Nürburgring und begeben uns munter ins Umland. Wir haben eine geführte Tour mit etwa 12 Motorrädern und hier wird nicht geschlichen. Das merke ich auch bald. Vor allem, in was für einen inneren Konflikt es mich bringt. Daß das schon so tief bei mir wohnt, das hätte ich nicht erwartet. Mein sonstiger Tagesablauf besteht darin, gebetsmühlenartig Sätze von mir zu geben, wie "Denk mal daran, wie schnell du hier fahren darfst". Und Fragen zu stellen, was man denn am Stopschild macht. Das kann ich hier alles über Bord werfen, wenn ich nicht der Bremsklotz sein möchte.

Tankdeckel zu
Tankdeckel auf. Geht ohne Schlüssel, solange er in der Nähe ist.



Beide Hebel einstellbar. Normal eigentlich.



Großendurotypisch, ein leichter Zugang zur Batterie.

Der Sitz ist einfach in der Höhe verstellbar.







Gold, aber von Showa

Auch vorne voll einstellbar. Elektronik regelt alles für dich.


Verstellbarer Bremshebel. Fürs Gelände.




Mehr Licht.


Mit Tagfahrlicht. Aber ordentlich.

Aber zurück zum Motorrad. Wie fährt sich das? Man hat uns nicht zu viel versprochen. Man hat immer ausreichend Kraft und Durchzug. Eigentlich fast egal, was für einen Gang man erwischt hat. Und das beste ist, das ganze überfordert einen nicht. Wenn ich am rechten Griff drehe, dann passiert sofort etwas. Aber nicht, wie beim Konkurenten, wo man sich zumindest auf den ersten Kilometern manchmal doch unwohl fühlt. Hier bin ich sofort zu Hause. Hier ist nichts, wo ich ein Gefühl der Unsicherheit hätte. Das fährt sich genauso wie ich es erwarte. Spektakulär unspektakulär. Das ist wirklich sehr groß. Was mir auch sehr taugt, das ist der Quickshifter, der in beiden Richtungen nutzbar ist und auch in den unteren Gängen performt. Da habe ich bei anderen schon nicht so sauber erlebt. Das Fahrwerk ist über jeden Zweifel erhaben. Auch, als wir im finsteren Wald auf einmal auf eine fiese Längsrille im Asphalt treffen, bleiben wir souverän in der Spur. Keine Notwendigkeit, Schweißtropfen von der Stirn zu wischen, oder das Rumfässchen zu öffnen.

Bild: Triumph

Nach der Mittagspause geht es für uns in den Steinbruch. Ich wähle auch hierfür wieder eine von den Rally - Varianten. Die Rally Explorer. Beiden ist das große 21' Vorderrad gemeinsam.



Wir brauchen ein paar Kilometer Landstraße, bis wir dort sind. Hier überrascht mich der nach hinten absichernde Spurwechselassistent. Auf einem Motorrad habe ich das noch nicht kennengelernt. Sobald ein anderes Fahrzeug in einer gewisen Entfernung hinter mir, oder seitlich hinter mir auftaucht, geht eine Warnleuchte unter dem Spiegel an.

Sensor für den Spurwechselassistenten.

Klare Ansage

Rechts unten am Spiegel, die Warnleuchte, daß da jemand ist.

Warmer Hintern am Polarkreis.

Menübedienung.


Die Displayanzeige hat bei dieser Variante ein etwas anderes Aussehen, aber es sind alle Informationen auch hier gut ablesbar. Alles dort, wo man es sucht. Wir biegen in eine Seitenstraße ab. Nach ein paar Metern beginnt recht grober Schotter. Wir stoppen. Jetzt wird in den Offroadmodus geschaltet. Das geht nur bei stehendem Motorrad. Dafür hat man danach eigentlich schon alles an Vorbereitungen getroffen. Man kann sich natürlich seinen eigenen Modus basteln, dafür aber fehlt uns hier die Zeit und die Muße. Es geht weiter. Wir kommen über eine Kuppe und dann liegt er vor uns. Wie eine Wildwestkulisse. Hier fehlen nur noch die Indianer und vielleicht ein Kaktus.


Wir parken die Maschinen und sammeln uns, um die Strecke kennenzulernen. Das geschieht am Besten zu Fuß. Und so laufen wir staunend die Strecke ab, die man uns abgesteckt hat.

Es gibt eine "normale" Strecke und eine für die "Profis". Zudem noch einen Shortcut zurück zum Startpunkt des kleinen Rundkurses. Aber er wurde heute noch nicht benutzt. Dafür ist die eigentliche Strecke an manchen Punkten schon ziemlich zermahlen. Das wird interessant werden. Bislang kenne ich nur festen Untergrund. Aber ich weiß, daß wenn es ein tiefes Geläuf wird, das Motto "Gas, Gas, Gas!" mit das Beste ist. Dabei das Gewicht aufs Hinterrad und ein möglichst großes Vorderrad dabei. Das habe ich. 21 Zoll, check. Ich schaue mir kurz an, was die anderen machen und schieße ein paar Bilder und dann wage ich mich selbst dran.




Daß meine Kondition als praktisch nicht mehr vorhanden anzusehen ist, merke ich bald. Zuerst alles keine Probleme, alles wie ich es kenne. Dann gibt es an einem neuralgischen Punkt einen kurzen Stocker, weil hier noch ein anderes Motorrad steht. Hier hätte ich eigentlich flüssig herunterfahren sollen. Ich werde hier aber anfahren müssen. Also los. Gewicht ganz nach hinten und hinunter. Nicht bremsen und weiter. Es läuft gut. Dann kommt das zermahlene Stück. Noch weiter Gewicht nach hinten und Gas. Das Vorderrad wühlt im Staub und will einen anderen Weg einschlagen als ich. Ich schaffe es aber, daß es nicht seinen Willen bekommt und drehe am Griff. Ich habe mich vor meinem geistigen Auge hier schon ausbreiten sehen.



Bilder: Triumph

Nach dieser Runde muss ich mich erst einmal ausruhen. Wie gesagt, mit der Kondition ist es nicht mehr so weit her. Dazu ist heute ein warmer Tag und hier in der Lavagrube sind es gute 30 Grad. Schatten - Fehlanzeige. Nur in der kleinen Hütte am Rande, wo auch Getränke auf uns warten, da ist etwas Schatten. nach einer Weile traue ich mich ein weiteres Mal auf die Strecke. Diesmal läuft es wesentlich besser. Aber es bleibt immer noch anstrengend. Ich bin total ausgepumpt. Die ganzen Kilos, die ich zu viel habe, merke ich jetzt.

Falls sich einer in den Lavastaub bohren sollte.

Die anderen haben auch mit der Hitze und der Strecke zu kämpfen und so wird bald zur Rückkehr geblasen. Wir haben ja auch noch ein paar Kilometer bis zum Fahrsicherheitscenter am Nürburgring zu fahren. Also hoppeln wir wieder den steinigen Weg zurück, halten dann kurz an, stellen die Maschinen wieder auf "Straße" zurück und dann geht es auf den Weg zurück. Durch kleine Eifelgemeinden und schöne Kurven geht es und wir sind rasch zurück am Ring. Hier warten noch ein paar Runden auf der Strecke des Fahrsicherheitszentrums auf uns. Wir tauschen noch einmal die Motorräder durch und ich suche mir nun eine GT Explorer mit Vollausstattung raus.







Andere Farbe.

Ein, zwei Runden zum Warmwerden und dann kratzt auch schon die linke Fußraste am Boden. Das geht sehr gut, wie ich es von den Tigern gewohnt bin. Da gibt sich die ganze Baureihe nichts. 








Fahrbilder: Triumph

Was hat mir besonders getaugt? Die Handbremse. Die Tiger 1200 hat eine Berganfahrhilfe in Form einer Handbremse. Einfach im Stand den Bremsgriff ganz an den Gasgriff heranziehen. Steht. Bis es weitergeht. Und dann noch das einfache Handling. Man steigt drauf und fühlt sich zu Hause.

Was für Unterschiede habe ich festgestellt? Hm, eigentlich keine besonders großen. Alle haben den gleichen Motor, mit den gleichen Kenndaten. Das ist anders, als man es zum Beispiel von BMW kennt. Da hat man gerne von einem Modell eine Kleine und eine Große. Beispielsweise die 750 GS und die 850 GS. Die eine etwas niedriger, mit einem "normalen" Vorderrad und mit weniger Motor. Dann noch mal die etwas höhrere mit mehr Geländeambitionen und großem Vorderrad und mit mehr Motor.

Bei Triumph ist es egal, wofür man sich entscheidet, man bekommt immer das volle Paket. Nur bei dem einen ist ein schöneres Papier drum und bei dem anderen noch eine bunte Schleife dran. Es gibt ein Basismodell, bei dem schon viel drin und dran ist und dann gibt es jeweils noch die besseren Ausstattungslinien bis hin zur Vollversion mit der du ganz normal auf Weltreise gehen kannst. 

Die Günstigste kostet um die 17.500 Eurotaler und die teuerste um die 22.500 €. Aber du wirst ohnehin, wenn es ernst wird, vor dem Verkäufer stehen und hauchen "Einmal alles und mit Scharf". Er wird nicken und dich verstehen. 



Gesa hat indes den ganzen Tag brav auf mich gewartet. Ich mache alles fertig und werfe den Motor an. Da ist wieder der schöne Zweizylinderklang. Gang rein und es geht auf den Nachhauseweg. 

Erst mal am Ring vorbei und dann geht es auf Koblenz zu. Das ist wirklich einfach, ich brauche lediglich geradeaus zu fahren. Die Motorsportfans, die am Vormittag die Gegend lautstark belagert haben, drängeln sich zum Teil noch an der Tankstelle, aber auf meinem Weg stört keiner meine Kreise.

In Koblenz gibt es noch mal kurz einen Aufenthalt, da unmittelbar vor der Hauptstelle meiner Firma jemand einen Unfall gebaut hat und die Polizei die Straße kurz für das Abschleppfahrzeug abgesperrt hat. Die anderen Autofahrer sind unvernünftig und quetschen sich überall dran vorbei. Erst als ich mich etwas querstelle, hat die junge Polizistin eine Chance ihren Wagen in Position zu bringen. Danach fülle ich besser noch mal Gesas Tank voll, denn auf der Strecke am Rhein entlang gibt es nicht allzuviele Tankstellen. Und wer weiß, ob die noch offen haben.
Die Fahrt am Rhein schließlich vergeht wie im Fluge, um die Uhrzeit ist paraktisch kein Verkehr mehr und so kann ich dann auch nach kurzer Zeit das Garagentor hinter mir schließen und Feierabend machen.