Vielleicht gibt es ja auch gar keinen Grund? Ich werde vorsichtiger sein müssen.
Endlich komme ich in Gau Odernheim am Kreisel an. Ich fahre in einmal komplett, zwei Mal - ich kann nichts ungewöhnliches entdecken. Ein drittes Mal. Ist da der Asphalt nicht etwas glatter? So glänzend schwarz? Ich bin verunsichert. Ich verlasse den Kreisel in Richtung Gau Odernheim und setze meine Fahrt fort. Viel gebracht hat das jetzt nicht, denke ich mir. Ich habe ihn gesehen und ich bin ein paar Mal durchgefahren, ohne das was passiert ist. Aber den Grund für den Rutscher habe ich nicht gefunden. Vielleicht gibt es ja auch gar keinen? Ich werde vorsichtiger sein müssen.
In Dittelsheim - Hessloch biege ich in Richtung Westhofen ab. Meine Gedanken sind noch immer nicht ganz bei der Sache. In Westhofen am Kreisel nehme ich die Abfahrt in Richtung Gundheim und gebe Gas, den Berg hinauf. In Gundheim drehe ich eine kleine Runde durch den Ort und komme dabei endlich wieder auf andere Gedanken. Ich beschließe, in Richtung Abenheim zu fahren und komme abermals unter der Autobahn hindurch. "Ah! - Das ist der Ort mit der "Helikopter - Kirche!"" denke ich, als ich die kleine Kapelle am Hügel sehe. Die ist von der Autobahn aus gut zu sehen, und es standen da früher noch ein paar Bäume so drumherum, daß sie von der Ferne wie einer dieser großen amerikanischen Transporthubschrauber aussah, wenn man nur flüchtig hinschaute. Ich hatte das auch schon mal gedacht und mich gewundert, wieso der nicht vom Fleck kommt. Irgendwann, als ich mit einem Kollegen unterwegs war, meinte der an der Stelle, "was macht denn der Hubschrauber da? Wieso steht der denn da in der Luft?"
Ich biege ab nach Osthofen. Unzählige dieser winzigen Fruchtfliegen zerplatzen an meiner Visierscheibe. Diese Viecher sind im Moment eine echte Plage. Auch im Haus sausen die herum und man hat ständig ein schlechtes Gewissen und meint, man halte es mit der Hygiene nicht so genau. Es wird aber mit dem vielen Wein und Obst zu tun haben, das wir hier in der Gegend haben, denn im Radio habe ich auch schon davon gehört gehabt. Ich bin also nicht allein mit dem Problem und war beruhigt.
In Osthofen führt mich mein Weg zur Gedenkstätte. Ich parke Gesa auf dem Parkplatz und mache den Motor aus. Ich bleibe einen Moment noch sitzen und horche in mich hinein. Will ich da jetzt wirklich reingehen? Bin ich dazu bereit? Diese Orte kann ich nicht bei jeder Stimmung besuchen. Ich möchte ein paar Bilder machen und dazu muss ich auch innerlich dicht am Sujet sein. Schließlich mache ich mich doch auf. Ich hole die Kamera hervor, nehme den Tankrucksack ab und gehe hinein.
In Osthofen ist von 1933 - 1934 eines der ersten Konzentrationslager gewesen. Kein Vernichtungslager, auch nicht riesengroß, aber ein KZ. Jeder, der seinerzeit in der Gegend gelebt hat, hat davon mit Sicherheit gewusst. In den Zeitungen wurde zum Zwecke der Abschreckung berichtet, wer aus welchem Ort inhaftiert sei.
Man hatte eine ehemalige Papierfabrik genutzt, als es die Anordnung gab Läger zu schaffen und hatte dort in erster Linie politisch andersdenkende, aber auch Juden, "Bibelforscher", also Zeugen Jehovas und Sinti inhaftiert. Für viele war das nur die erste Station auf dem Weg in andere Läger. In diesem Lager konnten die Gefangenen zunächst auch noch Besuch von Angehörigen erhalten. Die Vernichtungsmaschine war noch nicht angelaufen.
Appellplatz bis Sommer '33
Schlafraum
Als ich zu Gesa zurückkehre, bin ich still geworden. Ich verpacke die Kamera und mache mich wieder fertig. Ein letzter Blick noch und dann gleite ich wieder über den Bahnübergang in den Ort hinein.
Auf dem Nachhauseweg fahre ich noch etwas Zickzack durch Rheinhessen und gelange schließlich wieder nach Saulheim. Dort tanke ich noch mal voll und fahre über Partenheim zurück.
Im Laufe des Tages hat sich meine Blockade vom Anfang wieder gelegt. Ich habe mir den Kreisel angeschaut und habe nichts bedrohliches feststellen können. Dennoch hat es gedauert, bis ich meine Sicherheit wiedererlangt habe. Wie es weitergeht, werden die nächsten Tage zeigen.
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