Sonntag, 28. September 2014

Macht: BMW R 1200 GS Adventure

"Möchten Sie noch etwas trinken?" fragt mich ein junger Mann in einem blauen T Shirt, als ich mich mit einem Stück Zwetschgenkuchen in der Hand gerade umdrehe. "Ja, gerne einen Kaffee!" antworte ich und positioniere das Stück Kuchen auf seinem dünnen Pappdeckel und die Plastikgabel in der linken Hand, die schon Helm und Tankrucksack trägt. Ich nehme dankend den dampfenden Pappbecher entgegen und steuere hinaus zu ein paar Tischen und Bänken, an denen schon andere Motorradfahrer sitzen und wichtige Fachgespräche halten. "Der verkääft die, die war dem zu laut!" meint der Mann neben mir und sein Gegenüber nickt, mit nach unten gezogenen Mundwinkeln.


Ich bin in Kaiserslautern, beim Herbstfest vom örtlichen BMW Motorradhändler. Ich hatte die Tage eine Postkarte im Briefkasten gefunden, auf der ich zu dieser Veranstaltung eingeladen wurde. Probefahrten stünden unter anderem auf dem Programm. Das Wetter ist herrlich und ich muss nicht arbeiten, also habe ich mich auf den Weg hier her gemacht. Ich bin natürlich nicht auf der Autobahn gefahren, sondern wie früher auch, auf der Landstrasse. Da Sonnabend ist und es ja die Autobahn gibt, war die so leer, wie ich sie noch nie gesehen habe und ich bin entspannt, wenn auch fast nur gradaus, in die Westpfalz geglitten.
Als ich das Stück Kuchen verputzt habe und der Kaffee leer ist, wende ich mich den ausgestellten Motorrädern zu. Ich hatte eigentlich gehofft, mal eine Sertao Probe zu fahren, oder eine R1200R, also mal was ganz anderes, aber beide Maschinen haben sie nicht da. Die Sertao scheint ohnehin wohl ein Phantom zu sein. Bei Händlern sieht man höchstens mal eine Gebrauchte, auf der Webseite ist sie immer noch mit dabei und in freier Wildbahn habe ich noch nicht Eine gesehen.
Ich gehe ein wenig herum und sehe dann eine Frau eine R1200 GS erklärt bekommen und damit dann davon fahren. Dahinter steht eine R1200 GS Adventure. Der Entschluss ist da, die probiere ich. Ein Verkäufer kommt auch schon auf mich zu und meint, ich sähe so aus, als ob ich auch mal etwas Probe fahren wollte. Wir gehen also hinein und klären die Dinge, die es da zu klären gibt, ob ich einen Führerschein habe und warum, und nicht lange danach stehen wir wieder neben der Maschine und er steckt den Schlüssel ins Schloss und erklärt mir die meisten der Griffe und Knöpfe, die es da so gibt. Das Handrad auf der linken Seite lässt er aus und so kann ich nur mutmaßen wozu es wohl dienen mag.
Ich setze mich auf die Maschine, sie ist einiges niedriger als Gesa, und bekomme noch mal gesagt: "Das sind 125 PS und 125 Nm, das ist einiges mehr als bei Ihrer!". Ich glaube ihm gerne, drücke auf das Starterknöpfchen und lausche dem, was ich damit erwecke. Es ist ein absolut typischer Boxersound, der da von unten hoch kommt. Es gibt kaum Vibrationen. Die Worte des Mannes in Blau in den Ohren, drehe ich vorsichtig am Gasgriff und unter den neugierigen Blicken der umstehenden Biker rolle ich langsam los. Auf einen Start in Galeriestellung, durch die Rabatten auf die Strasse, verzichte ich dieses Mal lieber. Abgesehen davon daß ich das auch noch nicht geübt hätte...
Mein erster Eindruck ist: Das geht alles sehr direkt. Ich ahne, woher das Wort "Antriebsstrang" kommen mag. Die Maschine hat Kardanantrieb und man merkt den Unterschied zur Kette recht deutlich. Schon bei ganz langsamer Fahrt. Da ist kein bisschen Luft drin. Der Gasgriff hat auch kein Spiel, warum auch, es ist ein "Ride - by - Wire" System. Da gibt es keine mechanische Übertragung im herkömmlichen Sinne. Das Fehlen von Vibrationen ist sehr bemerkenswert. Höchstens kommt mal ein Bitzeln von unten durch den Sattel. Das stammt vom Kardan, man spürt regelrecht die Zahnräder.
Ich tauche also ein in die Welt von Tele - und Paralever. Ich hatte gehört, daß es bei solchen Maschinen beim Gasgeben ein deutliches "Kippen" um die Motorachse geben soll, davon merke ich hier aber nichts. Vielleicht liegt das an der Motorschwungmasse, die bei der Adventure Variante ein Kilo größer sein soll.
Am Opelkreisel verlasse ich die Stadt auf einer vierspurigen Strasse in Richtung Weilerbach und schleiche hinter einigen anderen Autos hinterher. Wir kommen an einem hunderter Schild vorbei und ich ärgere mich gerade, daß die vor mir nicht in Gang kommen. Da fällt mein Blick auf den Tacho. 120. Oh, Entschuldigung... Das hätte ich nie im Leben geglaubt! Hätte man mich gefragt, ich hätte was von der Hälfte erzählt. Es gibt hinter der großen Frontscheibe und der üppigen Verkleidung um den Tank keinerlei Luftzug. Wenn das Knattern am Helm nicht währe, man könnte an eine Computersimulation glauben. Ich habe keinen Eindruck von der Geschwindigkeit, das Fahrwerk schluckt Unebenheiten perfekt und die Geräuschentwicklung des Motors ist als in höchstem Maße moderat zu bezeichnen. Das ist tief beeindruckend.
Die Frontscheibe ist zwar verstellbar, mit einem Drehknopf an der rechten Seite, aber wohin ich auch drehe, das Knattern hört nicht auf. Wenn ich mich tief dahinter ducke, ist es fort. So kann ich aber nicht fahren. Das ist also, genau wie bei der F800GS Adventure, zu klein für mich.
In Weilerbach fahre ich von der breiten Strasse ab und finde einen schönen Weg ins Hinterland. Es geht in Richtung Erzenhausen. Ich komme an einer kleinen Abzweigung vorbei und sehe im Weiterfahren eine herrliche kleine Strasse. Die möchte ich fahren. Ich sehe ein Stück vor mir eine Wegeinmündung und mache Halt. Diese Stelle nutze ich, ein paar Bilder zu machen. Ich stelle die Maschine hin. Die Lage des Seitenständers ist recht ungewöhnlich für mich, der sitzt unterhalb der Pedalerie und ist mit einem kleinen Hebelchen hinunter zu treten. Ich bin wieder überrascht, wie leicht die Maschine wirkt. 260 Kg sind kein Lercherl, aber davon ist weder im Stand, noch eben auf der Fahrt etwas zu merken.

Alles andere als ein Fahrrad... R1200GS Adventure

Kompakter Eindruck, 30 Liter Tank

Too much Information... Mir erscheint das Cockpit etwas unübersichtlich für ein Motorrad

Ich fahre wieder los und biege in die nette kleine Strasse ab, in Richtung Eulenbis. Die Strasse kommt mir kaum breiter als die Maschine vor, aber ein entgegenkommender Autofahrer macht ehrfürchtig Platz, als ich vor ihm auftauche. Dieses Riesending ist unglaublich leicht zu fahren. Die Lenkung ist ausgesprochen präzise und man hat keinen Moment das Gefühl, so ein mächtiges Gerät zu steuern. Ich fahre damit durchweg einiges schneller als mit Gesa. Habe aber absolut kein unsicheres Gefühl.
In der Zwischenzeit hat sich neben der bereits leuchtenden Tankanzeige noch eine weitere Warnleuchte etabliert. Im Display blinkt hektisch die Reifendruckwarnanzeige. 2.5 steht da und blinkend 2.2 dahinter. Ich schließe daraus auf wenig Luft im Hinterreifen. Also kürze ich die Ausfahrt etwas ab. Über Otterbach komme ich zurück nach Kaiserslautern. An einer Tankstelle fülle ich ein paar Liter Benzin nach und gebe Luft auf die Reifen. Das geht bei Gesa wesentlich leichter. Lediglich hinten erleichtert der Kardanantrieb mit der Einarmschwinge den Zugang zum Ventil. Ich hatte die Maschine von der Zapfsäule nach dem Bezahlen zur Luftstation geschoben. Das ging sogar recht gut. Der tiefe Schwerpunkt wird da wohl Wunder wirken.
Als ich auf den Hof des Händlers komme und die Maschine wieder heil abstelle, bin ich allerdings schon froh, daß alles glatt gegangen ist. Die knapp 20.000 € , die das Motorrad kostet in der Ausstattung, sind nicht Nichts.
Wegen des Luftverlustes wird die Maschine dann sofort herausgezogen.

Auf dem Heimweg bin ich total froh, wieder auf Gesa zu sitzen. Diese riesige GS Adventure ist Galaxien von dem entfernt, was ich beim Motorradfahren suche. Ein tolles Gerät, keine Frage, aber Motorradfahren sieht für mich anders aus. Ich stelle mir auf der R1200GS eher einen Jethelmtragenden Manager im Armani Anzug vor, der das als Rollerersatz benutzt. Oder den etwas ergrauten Motorradfahrer, der es noch mal wissen, aber auf nichts verzichten möchte. Eines strahlt diese Maschine auf jeden Fall aus: Macht. "Burg Forchtenstein" schrieb der Reitwagen, dem ist Nichts hinzu zu fügen.


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30.01.2015
Ein kleiner Nachtrag ist fällig: Daß ich weder die Sertao, noch die R1200R dort gesehen habe, ist kein Zufall. Beide gibt es im aktuellen Programm entweder gar nicht mehr, oder in veränderter Form. So hätte es also wenig Sinn gemacht, diese "ollen Kamellen" noch groß zur Schau zu stellen. Und die neue 1200R war zu dem Zeitpunkt noch nicht so weit.

7 Kommentare:

  1. Ein sehr interessant und gut nachvollziehbar geschriebener Bericht. Gerade das mit dem Knattern am Helm kann ich mir vorstellen. Wenn das Motorrad nicht wirklich auf einen selber eingestellt ist, dann wirds anstrengend.
    Vollverkleidung bzw. überhaupt Scheibe ... mit so etwas bin ich erst einmal gefahren und es hat mir nicht gefallen. War wohl nicht die richtige Maschine.
    Bei meiner ER5 merke ich alles. Das ist einerseits schön, andererseits für Langstrecken nicht der Brüller.
    BMW hat natürlich wesentlich angepaßtere Techniken - aber Deine Gesa finde ich persönlich ansprechender als die Probemaschine.
    Aber sag mal... "ob ich einen Führerschein habe und warum...". Was ist das denn für eine Frage ;-) ...
    Schöne Grüße - Heike

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    1. Hallo Heike!
      Das mit dem Knattern am Helm hatte ich ja schon einmal gehabt, als ich seinerzeit die F800GS Adventure Probe gefahren bin. Das Windschild von der ist nicht verstellbar, und ich habe mir also von dem verstellbaren der R1200GS Adventure mehr versprochen. Aber, wie gesagt, da war keine Einstellung, die zu meiner Körpergröße gepasst hätte. Das ist entweder für sehr viel kleinere Fahrer dimensioniert, oder für sehr viel größere. In Tests liest man leider sonst relativ wenig davon, meist ist das dann in einem etwas verklausuliertem Satz verstaut. Vielleicht fürchten die dann, daß sie keine Testmaschinen mehr von der Firma bekommen.
      Diese große Adventure hatte ich erst einmal, als ich da hinfuhr, gar nicht auf dem Plan gehabt. Aber, da sie nichts anderes da hatten, was mir interessant erschien, habe ich halt die ausprobiert. Ich will nicht sagen, daß sich meine Meinung über die Maschine verfestigt hätte, ich hatte da keine Vorurteile, aber ich bin doch bestätigt darin, mit Gesa genau mein Motorrad gekauft zu haben. Mal abgesehen davon, daß die große Advent weit weit von dem entfernt liegt, was ich je hätte ausgeben wollen und können.

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  2. Ein toller Bericht über Motorräder, die „modernen Schlachtrössern“ gleichen ;-)

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  3. Ich würde auch gerne mal sagen: "Ich habe dieses und dieses Motorrad ausprobiert, aber es war mir irgendwie zu ... klein." ... *seufz* ...

    Schönes Blog, geniale Schreibe. Da geht der Daumen eindeutig hoch :-)

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  4. Das Probefahren von neuen Motorrädern ist auch immer ein Erlebnis. Leider hat nicht jeder Händler außerhalb des Eröffnungsfestes jedes Modell vorrätig. Und leider ist meistens auch ein Selbstbehalt im Schadensfalle von 1000 Teuronen fällig. Das muß man erst mal auf der Kante haben...:-(
    Ansonsten viel Spaß weiterhin mit Gesa...
    Gruß
    Marcus

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  5. Die 1200GS ist mir leider VIEL zu hoch. Oder ich VIEL zu klein. Wie mans nimmt. fahren kann ich sie halt leider nicht. Bin halt ein Konzentrat.

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    1. Das ist bei mir genau anders herum. Für mich sind viele interessante Motorräder einfach viel zu niedrig und zu klein. Da schau ich drauf aus, wie auf einem Kindermotorradl. Ich hätte mich mir auch gut auf einer Bonneville vorstellen können, aber wenn ich daneben stehe, dann ahne ich, daß das nicht gut geht. Zumindest nicht auf Tourendistanzen...
      Tom hat dagegen wieder genau das Problem, daß Du auch hast. Es ist immer blöd, wenn man zu sehr vom Durchschnitt abweicht...

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