Montag, 18. Mai 2015

Schwarzwaldkringel - oder IFRD2015

 +++02.05.2015+++

Ich schließe die Augen und zähle still bis drei. Als ich sie wieder öffne, ist der schwarze VW immer noch da und parkt quer vor der Garage, in der Gesa steht. Ich pack es ganz normal nicht. Wie soll ich sie denn um Himmels Willen dort befreien? Gestern abend hatte ich extra noch nachgeschaut, wie die Lage ist. Da war alles noch in Ordnung.
Nachdem ich mich wieder zur Ruhe gebracht habe, ich bin etwas spät dran und befürchte kein Frühstück mehr zu bekommen, ohne Frühstück neige ich zur Unleidlichkeit, gehe ich zur Rezeption zurück. "Da bin ich schon wieder...! Vor der Garage parkt jemand, ich komme da so nie raus." Die Dame hinter dem Tresen schaut erst mich groß an und dann auf ihren Monitor. Dort ist die Lösung nicht zu sehen, die Kamera für den Hof ist gestern schon gestört gewesen. "Ha, des weiß i jetzt auch net!" antwortet sie und grabbelt aus einer Schieblade einen Autoschlüssel hervor. "Da hab i einen Schlüssel bekommen, i weiß net ob der des is!" Sie kommt hinter ihrem Tresen  hervor und wir gehen auf den Hof. "Wenn Sie den Knopf drücken muss ja was passieren!" Sie schaut auf den schwarzen Wagen und drückt auf den Knopf der Fernbedienung. Neben mir knackt es. Das ist der weiße Audi gewesen, der neben mir steht. Falscher Schlüssel. Die Frau geht wieder rein. Ich hoffe, sie kann anhand des Nummernschildes jemanden diesem Auto zuordnen. Sonst ist es Essig mit der Ausfahrt. Ich habe auch keine Telefonnummer von Frauke. Ich gehe zu Gesa und mache sie schon mal fertig. Danach ergehe ich mich im Hof. Nach einiger Zeit erscheint eine Frau, die mich etwas verstört anschaut. "Kommen Sie da nicht so raus?" "Nein, ich kann sie nicht rüberheben..." - Hatte ich schon erwähnt, daß ich ohne Frühstück... ach?
Ich kann Gesa nun endlich auf den Hof schieben und pelle mich fertig an und verschwinde. Den Weg zur Jugendherberge finde ich heute morgen sehr gut. Es ist nur ein wenig die Strasse runter und dann rechts, bis die Moltkestrasse kommt. Dann wieder rechts und wo der Wegweiser ist, dann links. Gerade noch rechtzeitig für ein Frühstück laufe ich dort ein. Im Frühstücksraum erwartet mich schon eine kleine Gruppe. Es sind in erster Linie die, die auch in der Jugendherberge übernachtet haben.

Um kurz nach neun gehen wir hoch in den Raum, in dem wir gestern abend schon gesessen hatten und besprechen uns schon mal ein wenig. Bei jedem Motorengeräusch jedoch stürzen wir ans Fenster und schauen, wer da gekommen ist. So langsam füllt sich der Parkplatz. Eine bunte Truppe versammelt sich da.

Die meisten kommen schon grob aus der Gegend, aber es sind auch einige dabei, die von weiter weg kommen. Jemand kommt sogar vom Bodensee, von der Schweizer Seite. Drei Saarländerinnen sind dabei, eine Frau kommt aus der Nähe von Würzburg und ich aus Mainz.
Alle beteuern und versichern sich gegenseitig daß das Wetter halten wird und pünktlich um zehn ist jede in ihrer Gruppe und wir rollen mit ordentlich Motorengrollen vom Hof. Heute ist nämlich International Female Ride Day, kurz #IFRD2015. Da sind weltweit Frauen aufgerufen Motorrad zu fahren. Wir folgen diesem Aufruf heute!
Annika fährt in meiner Gruppe, der sportlichen, mit ihrer R1200GS vorweg und ich folge an dritter Stelle. Zunächst geht es quer durch Karlsruhe und durch die Vororte, an Durlach vorbei, recht bald in ländlichere Regionen. Bis jetzt kann ich noch gut mithalten. Aber bis jetzt sind wir auch noch nicht wirklich so gefahren, daß man es hätte sportlich nennen können. Das wird sich aber ändern. Noch geht es recht gemütlich zu, wir kommen durch Karlsbad. Danach zieht aber das Tempo an. Wir kommen durch Wald und die Straße windet sich an einem Hang entlang. Es sind recht unübersichtliche Kurven auf engen Straßen und es gehört für meine Begriffe schon viel dazu, dort so anzudrücken. Bald fahren wir aber dann durch ein sich schön schlängeldes Tal nach Marxzell. Über Frauenalb gelangen wir nach Bad Herrenalb. Dort herrscht kurz Unklarheit über die Route, es sind Strassen gesperrt, die wir eigentlich nutzen wollten. So geht es dann geradeaus weiter in Richtung Gernsbach.

An einer Tankstelle machen wir Halt. Es hat mit mir in dieser Gruppe keinen Sinn. Das merke ich auch, ich möchte kein Bremsklotz sein und so bin ich froh, als Frauke sich meiner annimmt und mit mir eine Minigruppe bildet. Eigentlich hatte ich auch gar nicht in die sportliche Gruppe gewollt, sondern mich für die touristische angemeldet. Aber da die Anzahl der Teilnehmerinnen sich recht ungünstig verteilte, hatte man dann noch etwas geschoben.

Wir lassen die anderen ziehen und setzen uns dann auch in Bewegung. Wir werden den gleichen Weg fahren wie die Gruppe, von der wir uns gerade gelöst haben, allerdings in einem anderen Tempo. Das ist nicht wirklich langsamer, ich kann so aber viel besser fahren. Wir flitzen über eine kleine Kreisstrasse und winden uns im Wald langsam bergauf. Es wird nebliger, wir haben die Wolken erreicht. Vermutlich gibt es die tollste Aussicht hier. Nur jetzt gerade nicht. An der Roten Lache sehen wir die Motorräder der anderen. Sie sind auch noch nicht lange dort. Hier trifft sich die schnelle Gruppe mit der ambitionierten Gruppe zum Kaffee. Der ist auch nötig, denn es ist recht frisch hier oben.

Beim Kaffee klärt sich, daß sich Frauke und mir noch drei andere Frauen anschließen. So werden wir dann zu fünft sein, wenn wir weiterfahren.
Als wir von der Roten Lache wieder aufbrechen, bilde ich das Schlußlicht für unsere Gruppe. Das macht wirklich Spaß, wir sausen um Kurven, Berge hinab und wieder rauf und es geht zwar flott, aber nicht zu schnell vorwärts. Ich kann ein wenig mit den Augen klauen, wie die anderen fahren und habe immer genügend Zeit mich auf die Situationen einzustellen. Es geht durch atemberaubend schöne Landschaft. Immer mal möchte ich anhalten, um ein Foto zu machen, aber das geht wegen der Gruppe natürlich nicht. Hier werde ich auf jeden Fall wieder her kommen!
Kurz vor Ottenhöfen überholen wir einen Rollerfahrer. An der Tankstelle, an der wir dann im Ort Halt machen um eventuell die Voräte aufzufüllen, läuft er auch ein. Wir halten uns noch ein wenig auf, ich mache ein paar Bilder, andere tun wichtige Dinge, die erledigt werden müssen. Der Rollerfahrer macht sich wieder auf den Weg.
Wie aus dem Modellbahnkatalog
Wir machen uns wieder fertig und sitzen alle auf und starten die Motoren. Noch mal kurz umgeschaut, und dann geht es wieder weiter. Am anderen Ende des Ortes sehen wir den Rolleristen wieder, als er gerade die nächste Tankstelle ansteuert. Auch wieder so ein seltsames Hobby. Beim Motorradfahren lernt man sehr viel. Auch über die Menschen.
Nach Ottenhöfen geht es ein wenig zwischen Obstwiesen entlang und dann halten wir uns links und kommen nach ein paar Kilometern nach Ulm. Also nicht das Ulm an der Donau, sondern das im Schwarzwald. Das ist etwas kleiner als das Pendant, kann dafür aber eine Brauerei bieten. Dort rollen wir nun auf dem Parkplatz ein. Hier wird es eine Mittagspause geben.

Als wir in die Gaststube kommen, ist es kurz vor zwei. Die Bedienung fragt uns gleich, fast noch bevor wir guten Tag gesagt haben, ob wir etwas Warmes essen möchten. Denn die Küche schließt um zwei. Also wird rasch die Karte studiert und dann geordert. Ich wähle Kässpätzle in der kleinen Portion und einen Salat. Das ist wohl die richtige Entscheidung, denn die Portion ist absolut ausreichend und bei mehr würde ich vermutlich danach im zwei Uhr Loch versacken.
Nach dem Essen teilen wir uns neu auf und schließen uns der "ambitionierten" Gruppe an. Sie wird angeführt von Annette und ihrer schneeweißen Goldwing. Ambitioniert bedeutet, daß durchaus forsch gefahren wird. Annette hat für uns eine Strecke herausgesucht, die über kleinste und allerkleinste Strassen führt. So gar nicht Goldwinglike. Bei manchen Stellen habe ich das Gefühl, nun sind wir auf dem Fahrradweg gelandet. Aber es sind immer völlig offizielle Wege.

Unterwegs gelangen wir auch wieder durch Ottenhöfen, wir biegen aber diesmal anders ab. Ich fahre nun irgendwo in der Mitte und wenn ich in Kurven, wo ich die ganze Gruppe vor mir sehen kann, das weiße, riesige Motorrad an der Spitze sehe, dann muss ich unweigerlich an "Schneewittchen und die sieben Zwerge" denken. Denn sieben Motorräder folgen ihr im Ganzen. Rasenmähende Leute in den Ortschaften verharren, wenn wir vorbeikommen.
Irgendwann landen wir so in Baden Baden. Durch die Randbezirke und knapp an der City vorbei zirkelt sich der Tross über zum Teil sehr steile Strassen weiter in Richtung Karsruhe zurück. In Kuppenheim schließlich gibt es noch mal einen Kaffeestop. Annette verabschiedet sich hier von uns, Frauke wird uns zurück nach Karlsruhe bringen und auch eine andere Teilnehmerin biegt hier nach Hause ab, sie wird aber abends noch mit uns Essen gehen. Nur ohne Motorrad dann.

Wir verabreden, daß die anderen, die in der Nähe, oder in Karlsruhe wohnen, sich dann entsprechend an ihrer Kreuzung abseilen. So machen wir uns auf die letzten Kilometer zurück.
Als wir auf den Hof der Jugendherberge kommen, sind wir nicht mehr viele. Aber es warten dort noch andere von den anderen Gruppen auf uns und freuen sich, uns zu sehen.
Strahlende Gesichter überall. Einigkeit, daß das eine ganz großartige Tour gewesen ist.

241 Kilometer sind wir gefahren. Auf Berge, um Kurven, bergab, an tollen Aussichten entlang, durch Wald und Felder - es war einfach herrlich! Als wir abends uns dann zum Abendessen treffen, strahlen die Gesichter immer noch, es herrscht tiefe Zufriedenheit. Das Wetter hat gehalten, Sonne gab es zwar praktisch keine, aber wir hatten keinen Regen. Das ist schon viel Wert gewesen. Ich habe unheimlich viel wieder gelernt über das Fahren in der Gruppe und ich habe Kurven geübt, noch und nöcher.


12 Kommentare:

  1. HALLO? Ulm, das "grosse" hat immerhin den höchsten Kirchturm der Welt. Und Brauereien wie Sand am Meer. Auch haben wir eine hohe Kneipendichte in der Innenstadt.Von herrlichen Straßen auf der Alb red ich schon gar nicht. ...*LOL*...Aber schöner Bericht über einen klasseTag. ...

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    1. :) Das mag sein. Aber "Dein" Ulm hat keinen Schwarzwald. Der hat hier den fehlenden Rekordkirchturm ausgeglichen. Fand ich.

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  2. Hach, toll! Ich wäre auch gern dabei gewesen, zumal das bei mir direkt um die Ecke ist, beim unteren Drittel seid Ihr sogar auf meinen Hausstrecken unterwegs gewesen. Aber leider musste ja meine Nichte unbedingt an dem Wochenende heiraten... hrmpf.

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    1. Das verstehe ich, viele Nichten regieren etwas unwirsch, wenn man bei ihrem Heiratstermin lenkend eingreifen möchte. Das kann dann den Familiensegen in nachhaltige Schräglage bringen. Es war also besser, daß Du dem den Vorzug gegeben hast...
      Ja, es wäre toll gewesen, wenn Du dabei gewesen wärst! Vielleicht klappt es ja ein anderes Mal. Im nächsten Jahr wird ja wieder ein IFRD sein, vielleicht bist Du dann ja dabei!

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  3. Schöner Bericht.
    Scheint ja sehr aufregend gewesen zu sein. Mit wir wirst du sowas allerdings nicht erleben - ich bin und bleibe der Gänseblümchenmöger. Bei mir kannst du gut mit den Augen klauen, und ausreichend Fotostopps werde ich auch einlegen.
    Große Gruppen muß man mögen - dank deines Berichtes, in den ich mich gut einfinden konnte (klasse Schreibstil!), weiß ich wieder, warum ich überwiegend allein fahre ;-)

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    1. So für mich fahre ich ja auch anders. Was mich an solch einer Ausfahrt reizt, ist neben der Tatsache, daß man viele Leute kennenlernt, daß ich auch mal sehen kann, wie andere so fahren. Ich bin ansonsten auch die meiste Zeit alleine unterwegs und schmore sozusagen dabei oft im eigenen Saft. Da finde ich es dann interessant zu sehen, wie andere es angehen.
      Danach kann ich dann ja wieder meinen Stremel durchziehen. Auch wenn das nächste Gruppen - fahr - Event sich schon am Horizont abzeichnet, werde ich doch die typische Alleinfahrerin bleiben.
      Auf unsere Ausfahrt freue ich mich aber schon!

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  4. Na das war vielleicht ein Abenteuer. Klasse :-)

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    1. Die Gegend ist echt superwunderschön! Man hat oft das Gefühl, in einem ganz anderen Land zu sein. So viele Dinge sehen anders aus. Absolut besuchenswert!

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  5. Ist doch immer toll, mit einer Gruppe unterwegs zu sein :-)

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    1. Es ist sehr lehrreich, mit anderen unterwegs zu sein! Es macht Spaß und man lernt etwas. Ich fahre aber auch gerne alleine, da kann ich anhalten wenn ich möchte. Alles zu seiner Zeit!

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  6. Hallo Minya,

    am Wochenende war ich wieder im Schwarzwald unterwegs. Ist wirklich ein wunderbares Revier für Biker :-) Endlich ist auch mein Bericht vom ifrd online ...
    http://www.fembike.de/unterwegs/international-female-ride-day/international-female-ride-day-2015-treffpunkt-karlsruhe

    Liebe Grüße
    Frauke

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    1. Den Schwarzwald muss ich unbedingt noch mal mit Gesa besuchen! Das war ein rechter Appeithappen, unsere schöne Ausfahrt!
      Deinen Bericht werde ich gleich lesen!

      Ganz liebe Grüße,

      Minya

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